Eine große Menschenmenge in einer modernen Konferenzhalle während einer Veranstaltung. Die Teilnehmer sind geschäftlich gekleidet und stehen unter großen Bildschirmen und Bannern.
Expo-Dresscode: Dunkler Anzug. (Quelle: André Eberhard)

Expo Real 2024-10-10T13:12:49.680Z „Eine gemischte Tüte“

Gedeckte Farben, mehr Krawatten und weniger Sneaker: Wenn es ernst wird, versucht die Branche Seriosität zu wahren. Ein Fazit zur Expo Real 2024. Von André Eberhard

Zugegeben, den Mittwoch der diesjährigen Expo Real habe ich einfach ausgelassen. Eigentlich reichen zwei Tage nicht aus, um genügend Themen mitzunehmen und Stimmungen aufzusaugen. Zumindest in diesem Jahr, denn nach dem ersten Tag konnte ich die diesjährige Messe noch nicht so richtig einordnen. Das ging dann am zweiten Tag deutlich leichter – wahrscheinlich auch, weil der zweite Tag deutlich voller war als der Messemontag. Am Ende sollen vier Prozent weniger Besucher als im Vorjahr in die Münchner Messehallen gekommen sein. Dennoch wurde die 40.000er-Marke knapp geknackt: 1.778 Aussteller aus 34 Ländern präsentierten sich auf dem Post-Wiesn-Event.

27.000 Schritte und 18,5 Kilometer standen nach zwei Tagen und 29 Terminen auf meinem Schrittzähler. Nicht mitgezählt: die unzähligen Gespräche auf den Messegängen, in der U-Bahn und auf den Abendveranstaltungen. Was am Ende bleibt: ein gutes Gefühl, dass es zumindest immer weiter geht. Wäre die Immobilienwirtschaft eine Wetterkarte, so säßen die einen noch im Sturm und wüssten nicht, ob das Dach hält (zugegeben, die waren wohl auch nicht auf der Messe), während andere schon blaue Streifen am Horizont sehen.

Hoffnung für Orientierungslose

Im vergangenen Jahr lautete mein Fazit: die ehrliche Messe. Probleme wurden angesprochen und offen diskutiert. In diesem Jahr ist mein Fazit: Hoffnung für Orientierungslose.

Keine Frage, im Markt steckt noch jede Menge Zündstoff. Viele, auch größere Branchenunternehmen, stehen noch vor großen Herausforderungen. Vor allem Liquidität ist das Problem. Die Zahl der Notverkäufe und Stranded-Assets dürfte wohl noch zunehmen, denn auch 2025, so waren sich die meisten Gesprächspartner einig, wird ein herausforderndes Jahr werden. Vor allem diejenigen, die in den letzten zehn Jahren vom köstlichen Nektar des billigen Geldes genascht haben werden wohl noch länger mit einem Zuckerschock zu kämpfen haben. „Der lange vorherrschende Zweckoptimismus ist vielerorts echter Zuversicht gewichen und die Stimmung war im Vergleich zu den beiden Vorjahren spürbar positiver und lebendiger. Vermehrt wurde über Deals, Preisfindung und Opportunitäten am Markt gesprochen“, resümiert Dr. Marcus Cieleback, Chief Urban Economist von Patrizia SE.

Das Gute ist: der kommende Zyklus sollte, wenn Anbieter und Nachfrager sich treffen, wieder ein „normaler“ sein – heißt, mit kalkulierbarem Zinsniveau und auskömmlichen Renditen. Und noch eine Gute Sache: die größere Anzahl an Wohnungsdeals macht der Branche Mut, dass der Austausch zwischen Städten und Gemeinden, Entwicklern und Bestandshaltern wieder intensiver und ernsthafter geführt wird. Der Wohnungsmarkt dürfte wohl der erste sein, der in größerem Stil wieder anspringen wird. So hörte man oft, dass Entwickler Kapazitäten aufbauen, um den Wohnungsbausektor bedienen zu können. „Mein bereits vorsichtig positiver Blick auf das Segment Wohnimmobilien hat sich im Rahmen der Messe weiter bestätigt“, bestätigt Thomas Böcher, Geschäftsführer bei Paribus, die Lage am Markt.

Eine Podiumsdiskussion auf einer Messe, bei der vier Personen auf einer Bühne vor einem großen Bildschirm diskutieren. Der Bildschirm zeigt eine Präsentation mit dem Thema "Technologie- und Innovationsquartier Hugo".
André Eberhard beim Stand-Talk der Business Metropole Ruhr mit Vertretern aus Essen, Gelsenkirchen und Hamm. (Quelle: Roswitha Loibl)

Auch bei anderen Assetklassen wird ernsthafter über Lösungen diskutiert. Den Abgesang des Büros macht kaum einer mehr mit. Es sei aber noch Geduld gefragt, bis es spürbar nach oben gehe, so Böcher. Einzelhandel kommt langsam aus der Deckung und Logistik hält sich auf hohem Niveau. „Während die Binnennachfrage unter Druck steht und in Deutschland unter anderem aufgrund politisch ungünstiger Rahmenbedingungen und zu hoher Strompreise Abwanderungstendenzen in der Industrie zu beobachten sind, steigt das Interesse an Value-Add-Investments im Bereich der Logistikimmobilien spürbar“, versichert Fred-Markus Bohne, Managing Partner Panattoni Deutschland und Österreich. „Core-Investoren zeigen zwar Zurückhaltung, aber der Investmentmarkt scheint insgesamt wieder an Stabilität zu gewinnen.“ Nischen hingegen bleiben Nischen mit überschaubarem Marktanteil aber gewisser Existenzberechtigung.

„Vorherrschender Zwangsoptimismus“

„Das entsprechende Giveaway an einem Stand [KölnBusiness] beschreibt es gut: Die Expo Real 2024 war eine gemischte Tüte“, beschreibt Christian Liedtke, CEO von Beach River Capital, die Situation passend. Die Branche hat wieder „Mut gefunden sich etwas zu trauen“, resümiert Jens Lütjen, geschäftsführender Gesellschafter von Robert C. Spies. Die Messe bringe Realismus und Orientierung den Marktakteuren zurück.

Das sehen nicht alle so. „Was uns nachdenklich stimmt, ist der vorherrschende Zwangsoptimismus: Viele Teilnehmer scheinen sich gegenseitig Mut zuzusprechen und zu motivieren, obwohl die Marktbewegungen, wenn überhaupt, nur leicht positiv ausfallen. Dieser Zweckoptimismus erinnert uns an die Expo vor rund einem Jahr“, meint Jan Düdden, Managing Partner bei Arcida Advisors. Gleichzeitig sei man froh, dass der Markt der Entwickler sich bereinigen würde, so Michael Härer, Geschäftsführer der OBG-Gruppe. Sein eigentlicher Wunsch, anders zu denken und gemeinschaftliche Projekte zu realisieren, sei in der Praxis nur schwer umsetzbar. Dennoch appelliert er, das Wichtige jetzt konsequent umzusetzen. Dazu gehöre vor allem Nachhaltigkeit.

Ein Kernthema auch für Drees & Sommer-Geschäftsführer Steffen Szeidl. Daten, Nachhaltigkeit und Bestand müssen in den Fokus der Immobilien- und Bauwirtschaft rücken. Er hoffe, dass die Krise grundsätzlich zu einem Umdenken bei den Marktteilnehmern geführt habe, die Transformation stärker vorangetrieben werde und der Innovationsdruck zu nachhaltigen Veränderungen führe. Dazu brauche es vor allem Planungssicherheit bei Marktparametern wie den Energiepreisen.

Und sonst?

Immobilienwirtschaft kann nicht mehr ohne Energie, Daten, Infrastruktur und Mobilität gedacht werden. „Im Zentrum vieler Gespräche stand die Verzahnung von Immobilien und Infrastruktur“, so Cieleback. Trotzdem weigert sich die Messe bisher noch, diese für die Branche wichtigen Marktakteure in den Hauptteil der Messe zu integrieren. Stattdessen bekommen sie die „rosa-rote-Brille“ in Halle A3 auf und laufen unter dem Label Transform & Beyond. Da ist sicher noch Luft nach oben im Konzept der Messe.

Auch serielles und modulares Bauen spielte in den Gesprächen eine größere Rolle als in der Vergangenheit. „Ich höre aus allen Richtungen, dass serielles Bauen das große Thema dieser Tage auf der Expo ist. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: die Krise im Wohnungsbau lässt sich nur durch Digitalisierung, Automatisierung und Industrialisierung lösen“, meint Markus Fuhrmann, CEO und Gründer von Gropyus.

Mahnende Worte sprachen einige Messeteilnehmer, was den Faktor „S“ angeht. Dieser solle nicht in Vergessenheit geraten trotz aller Krisenthematiken. Hier gab es zwei Highlights: Zum einen die Veröffentlichung der gif-Studie „Schlüsselfaktor S“, zu der Sie auch in der nächsten Printausgabe von immobilienmanager mehr lesen können, und zum anderen den Start des Hubs für Social Impact Projekte des ICG, eine Projekt- und Ideen-Börse für alle Beteiligten.

Wenig gesprochen haben wir auch über die allgemeine geopolitische Lage. Das war im vergangenen Jahr noch anders. Da spielte der Ukraine-Konflikt eine deutlich größere Rolle. Trotzdem wird schon daran gedacht, was vor allem mit der Bauwirtschaft passiert, wenn der Konflikt einmal zu Ende geht. Dann werde sich die Personalsituation in dem Industriezweig weiter verschärfen.

Wenn Sie noch mehr Stimmen zur Expo Real aus den verschiedensten Sektoren der Branche hören möchten, kann ich Ihnen unseren Live-Podcast von der Messe empfehlen, der in den kommenden Tagen veröffentlicht wird. An beiden Messetagen haben wir jeweils eine Stunde mit spannenden Gästen inklusive Messe-Atmosphäre gesprochen.

P.S.: Ich trug übrigens durchgängig Sneaker und keine Krawatte.

Auch interessant:

zuletzt editiert am 11. Oktober 2024